Dienstag, 3. Dezember 2013

Rezension zu „Fürchtet Euch“ von Wiley Cash

Fürchtet Euch
Ein spannender Roman über blinden Glauben und seine unbarmherzigen Konsequenzen

(mkb). „Fürchtet Euch nicht“, steht in der Luther-Bibel geschrieben, „denn der Herr, dein Gott, wird selber mit dir wandeln und wird die Hand nicht abtun noch dich verlassen.“ Mit der Angst oder besser der Hoffnung auf ein besseres Leben ist schon manch einer zum Glauben missioniert worden – im schlimmsten Fall von zwielichtigen Gestalten, deren Schäfchen sie blind ins Unglück stürzen. Das amerikanische Original „A Land More Kind Than Home“ („Ein Land, das freundlicher ist als Zuhause“) von Autor Wiley Cash hat in seiner Heimat längst die Bestsellerlisten gestürmt. Mit „Fürchtet Euch“ geht das Debüt jetzt in deutscher Fassung, hervorragend von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann aus dem Amerikanischen übersetzt, an den Start und hat das Potential, auch in den deutschsprachigen Ländern die ersten Plätze zu belegen.

Die geradezu perfekte Bühne für das Erstlingswerk steht in der Einsamkeit der Berge North Carolinas. Dort bestreiten das Ehepaar Hall mit ihren Söhnen Jess und dem autistischen Christopher einen kargen Alltag. Nur an den Sonntagen ist alles anders: Dann nimmt die Mutter ihre beiden Jungs an der Hand und sucht im Gebet die Erlösung. Normalerweise spielen währenddessen alle Kinder unter Aufsicht der 80-jährigen Adelaide Lyle draußen. Nur nicht an diesem schwülen Septembertag, denn heute darf Christopher am Gottesdienst teilnehmen. Prediger Carson Chambliss hat Großes mit ihm vor: Er will ihn in einem Ritual heilen. Als der 13-Jährige dabei stirbt, reißt das zarte Band einer Ehe. Jess kämpft fortan mit seinem Gewissen, denn er hat durch das zugeklebte Kirchenfenster mehr gesehen, als die junge Seele verarbeiten kann. Obwohl Sheriff Clem Barefield den Prediger unter Verdacht hat, kann er ihm nichts nachweisen. Gesammelt steht die Kirchengemeinde hinter dem charismatischen Chambliss und schweigt. Da taucht der Großvater des toten Jungen auf und mit ihm werden für den Sheriff Erinnerungen wach, die er lieber verdrängt hätte. Als Jess sein Schweigen bricht, sind die Folgen wahrlich zum Fürchten…

Autobiografisch sei die Geschichte nicht, sagt der Autor – aber in den drei Perspektiven und den drei Erzählern finde er sich wieder. In Jess zum Beispiel, der nach dem Tod seines Bruders am Glauben zweifelt. Auch Wiley Cash ist in den Bergen und mit der Kirche groß geworden und auch ihn ereilten Zweifel: „Ich realisierte, dass wir den Glauben oft nutzen, um die leeren Stellen in unserem Leben zu füllen“, schreibt er in seiner Biografie. Und die gläubige Christin Adelaide Lyle, die sich längst vom Prediger und seinen fragwürdigen Methoden abgewandt hat, ist ebenso ein Teil von ihm, wie der Polizist, den mit Jess’ Großvater eine schmerzliche Erinnerung verbindet. „Fürchtet Euch“ handle auch von Vergebung, sagt Wiley Cash.

Der Leser selbst verfolgt gebannt die Irrwege des blinden Glaubens, ist aufgewühlt von den damit verbundenen Folgen, dabei geraten die Szenen der Vergebung eher ins Abseits. Wie jedes gute Buch hat auch dieser Roman viele Facetten und lässt genügend Spielraum, den Schwerpunkt selbst zu legen. Fazit: „Fürchtet Euch“ ist spannend und unbedingt lesenswert!

© Michèle Kirner-Bernoulli von Literaturtipp.com


Wiley Cash
Fürchtet Euch
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main
ISBN 978-3-596-19443-8
Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2013, 348 Seiten, Taschenbuch.
Preis: € 9,99 (D) / € 10,30 (A) / sFr 14,90



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