Fürchtet Euch
Ein spannender Roman über blinden
Glauben und seine unbarmherzigen Konsequenzen
(mkb). „Fürchtet Euch nicht“, steht in der
Luther-Bibel geschrieben, „denn der Herr,
dein Gott, wird selber mit dir wandeln und wird die Hand nicht abtun noch dich
verlassen.“ Mit der Angst oder besser der Hoffnung auf ein besseres Leben
ist schon manch einer zum Glauben missioniert worden – im schlimmsten Fall von
zwielichtigen Gestalten, deren Schäfchen sie blind ins Unglück stürzen. Das
amerikanische Original „A Land More Kind Than Home“ („Ein Land, das
freundlicher ist als Zuhause“) von Autor Wiley Cash hat in seiner Heimat längst
die Bestsellerlisten gestürmt. Mit „Fürchtet Euch“ geht das Debüt jetzt in
deutscher Fassung, hervorragend von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann aus dem
Amerikanischen übersetzt, an den Start und hat das Potential, auch in den
deutschsprachigen Ländern die ersten Plätze zu belegen.
Die
geradezu perfekte Bühne für das Erstlingswerk steht in der Einsamkeit der Berge
North Carolinas. Dort bestreiten das Ehepaar Hall mit ihren Söhnen Jess und dem
autistischen Christopher einen kargen Alltag. Nur an den Sonntagen ist alles
anders: Dann nimmt die Mutter ihre beiden Jungs an der Hand und sucht im Gebet
die Erlösung. Normalerweise spielen währenddessen alle Kinder unter Aufsicht
der 80-jährigen Adelaide Lyle draußen. Nur nicht an diesem schwülen Septembertag,
denn heute darf Christopher am Gottesdienst teilnehmen. Prediger Carson
Chambliss hat Großes mit ihm vor: Er will ihn in einem Ritual heilen. Als der 13-Jährige
dabei stirbt, reißt das zarte Band einer Ehe. Jess kämpft fortan mit seinem
Gewissen, denn er hat durch das zugeklebte Kirchenfenster mehr gesehen, als die
junge Seele verarbeiten kann. Obwohl Sheriff Clem Barefield den Prediger unter
Verdacht hat, kann er ihm nichts nachweisen. Gesammelt steht die
Kirchengemeinde hinter dem charismatischen Chambliss und schweigt. Da taucht
der Großvater des toten Jungen auf und mit ihm werden für den Sheriff
Erinnerungen wach, die er lieber verdrängt hätte. Als Jess sein Schweigen
bricht, sind die Folgen wahrlich zum Fürchten…
Autobiografisch
sei die Geschichte nicht, sagt der Autor – aber in den drei Perspektiven und
den drei Erzählern finde er sich wieder. In Jess zum Beispiel, der nach dem Tod
seines Bruders am Glauben zweifelt. Auch Wiley Cash ist in den Bergen und mit
der Kirche groß geworden und auch ihn ereilten Zweifel: „Ich realisierte, dass wir den Glauben oft nutzen, um die leeren Stellen
in unserem Leben zu füllen“, schreibt er in seiner Biografie. Und die
gläubige Christin Adelaide Lyle, die sich längst vom Prediger und seinen
fragwürdigen Methoden abgewandt hat, ist ebenso ein Teil von ihm, wie der
Polizist, den mit Jess’ Großvater eine schmerzliche Erinnerung verbindet. „Fürchtet
Euch“ handle auch von Vergebung, sagt Wiley Cash.
Der Leser
selbst verfolgt gebannt die Irrwege des blinden Glaubens, ist aufgewühlt von
den damit verbundenen Folgen, dabei geraten die Szenen der Vergebung eher ins
Abseits. Wie jedes gute Buch hat auch dieser Roman viele Facetten und lässt
genügend Spielraum, den Schwerpunkt selbst zu legen. Fazit: „Fürchtet Euch“ ist
spannend und unbedingt lesenswert!
© Michèle
Kirner-Bernoulli von Literaturtipp.com
Wiley Cash
Fürchtet Euch
Aus dem Amerikanischen
von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main
ISBN 978-3-596-19443-8
Deutsche
Erstausgabe, 1. Auflage 2013, 348 Seiten, Taschenbuch.
Preis: € 9,99
(D) / € 10,30 (A) / sFr 14,90
© Copyright by: Literaturtipp.com, Butjadingen.
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