Dienstag, 26. November 2013

Rezension zu „Wenn ich dich umarme, hab keine Angst“ von Fulvio Ervas

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst
Die wahre Geschichte einer Motorradtour, die ein Vater mit seinem autistischen Sohn durch Amerika unternimmt.

(psa). In „Wenn ich dich umarme, hab keine Angst“ erzählt Autor Fulvio Ervas die wahre Geschichte eines Vaters, der versucht, seinen autistischen Sohn zu erreichen und besser zu verstehen. Dafür geht Franco einen sehr ungewöhnlichen Weg: Er plant mit Andrea eine Motorradtour quer durch die USA, sozusagen von Küste zu Küste, um den Zugang zu seinem Sohn herzustellen. Das Buch machte mich neugierig: Zum einen dachte ich, ein wenig mehr über die Krankheit Autismus zu erfahren, zum anderen wollten die beiden eine Reise unternehmen, deren Stationen ich zum Teil kenne.

Die beiden starten in Miami, Florida. Von hier aus geht es über New Orleans, Texas, Utah und Arizona nach Los Angeles in Kalifornien. Dabei legen die beiden wirklich Tempo vor. Man kann beim Lesen diese Unrast förmlich spüren: Der Text liest sich schnell und rasant, man traut sich kaum, die Seite umzublättern, schon ist wieder ein Kapitel fertig. Leider bleibt dabei der Tiefgang auf der Strecke. Schade eigentlich, denn die Ansätze sind sehr gut. Ich habe mir oft gewünscht, dass der Erzähler Fulvio Ervas etwas ausführlicher wird. Das hätte dem Spannungsfaden bestimmt keinen Abbruch getan. Aber trotz dieses Kritikpunktes bin ich gerne mit auf die Harley gestiegen und in Gedanken mitgefahren.

Fulvio Ervas vermittelt auch ein Stück von der intensiven Liebe zwischen Vater und Sohn. Die beiden werden sehr sympathisch beschrieben. Interessant sind dabei Francos Versuche, einen Weg zu finden, auf dem er mit Andrea am besten kommunizieren kann. Auf dieser USA-Durchquerung bleiben sie nie länger als ein bis zwei Tage an einem Ort. Es gibt Begegnungen und Erlebnisse, leider werden diese immer nur angeschnitten.

In Kalifornien angekommen, beschließen die beiden, ihre Reise in Südamerika fortzusetzen. Eine wirklich tolle Reiseroute möchten sie hier verfolgen: Mexico, Guatemala, Belize, Panama, Brasilien und das Amazonasgebiet. Man hat das Gefühl, hier wird das Tempo etwas rausgenommen. Die Begegnungen, die die beiden haben, werden ausführlicher beschrieben. Es macht sehr viel Spaß, Franco und Andrea auf ihren Abenteuern speziell in Mexico und Brasilien zu begleiten. In Brasilien nehmen sich die Beiden mehr Zeit. Man spürt, dass der Vater bereit ist etwas loszulassen. Und der Sohn erlebt so etwas wie die erste Liebe. Fulvio Ervas nimmt sich Zeit, die Gefühle und das Erlebte genauer zu schildern.

Als Franco und Andrea Antonello wieder ihre Heimreise antreten, wünscht man ihnen eigentlich nur ganz viel Glück. Und dass sie auch in Zukunft eine glückliche Zeit verbringen können. Vor allem aber wünscht man dem Vater, dass er seine Ängste in Bezug auf Andreas Zukunft ablegen kann, dass die Frage nicht mehr so schwerwiegend ist: Was wird sein, wenn ich nicht mehr bin und kommt Andrea alleine zurecht?

Für Franco und Andrea war diese Reise sehr wichtig, und man hat das Gefühl, beide haben aus dieser Reise ganz viele positive Erlebnisse und Erfahrungen mitgenommen. Deswegen ist „Wenn ich dich umarme, hab keine Angst“ ein interessantes Buch, aus dem Italienischen von Maja Pflug übersetzt. Der etwas sperrige Titel kommt übrigens durch den gleichlautenden Satz, den Franco auf Andreas T-Shirts drucken lässt, weil der Sohn manchmal ganz unvermittelt auf andere Menschen zugeht, um sie zu umarmen, denn das ist seine Art, sich einen Eindruck von einer Person zu machen. Autor Fulvio Ervas hat diesen Satz als durchaus passenden Buchtitel verwendet.

© Petra Santiago von Literaturtipp.com



Fulvio Ervas
Wenn ich dich umarme, hab keine Angst
Aus dem Italienischen von Maja Pflug
Diogenes Verlag, Zürich
ISBN 978-3-257-06851-1
1. Auflage 2013, 320 Seiten, mit zahlreichen Farbfotos, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 12,5 x 20 cm.
Preis: € 16,90 (D) / € 17,40 (A) / sFr 24,90




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